Harzer Wandernadel geht voran – und sagt: Qualzucht hat auf zukünftigen Werbemotiven keinen Platz mehr

Wenn es um Hunde geht, liegen Emotionen schnell hoch – denn unsere Vierbeiner sind längst Familienmitglieder. Umso wichtiger ist es, verantwortungsvoll mit ihrer Darstellung in der Öffentlichkeit umzugehen. In diesem Fall war ich nicht nur Beobachterin, sondern selbst beteiligt: Ich habe das Team der Harzer Wandernadel inhaltlich und strategisch begleitet – mit dem Ziel, eine verantwortungsvolle Lösung zu entwickeln. Genau darum geht es in diesem Artikel: um einen liebevoll gestalteten Wanderpass für Hunde, eine kritische Debatte – und eine Lösung, die Mut macht.
Ein Wanderpass für Hunde: Die Idee
Die Harzer Wandernadel ist ein beliebtes Wanderprojekt im Harz mit Kultstatus – mit über 222 Stempelstellen lädt sie seit vielen Jahren Menschen dazu ein, die Region aktiv und spielerisch zu erkunden. Wer Stempel sammelt, lernt nicht nur den Harz in seiner ganzen Vielfalt kennen, sondern erlebt auch echte Entschleunigung und Naturverbundenheit. Es macht einfach unheimlich viel Spaß, sich auf diese Weise Schritt für Schritt durch den Harz zu bewegen.
Im April 2025 wurde das Konzept um eine tierische Variante erweitert: den Vier-Pfoten-Wanderpass. Hunde können jetzt gemeinsam mit ihren Halter*innen an 222 speziell ausgewählten, besonders hundefreundlichen Stempelstellen Punkte sammeln. Enthalten sind auch praktische Infos wie Wasserstellen, Wegbeschaffenheit oder Platz für ein Hundeprofil – mit Name, Alter und Charakterbeschreibung.
Das Ziel: Bewegung fördern, Naturerlebnisse teilen und die Bindung zwischen Mensch und Hund stärken – mit Spaß, Struktur und Sammelleidenschaft. Wer alle 222 Stationen meistert, darf sich mit seinem Hund offiziell „Wanderkaiser auf vier Pfoten“ nennen.
Kritik am Cover: Warum Qualzucht mehr ist als ein „Look"
Kurz nach der Veröffentlichung kam es in sozialen Medien zu Diskussionen. Denn:

Abgebildet auf dem Cover der ersten Ausgabe ist Charly, ein Mops aus dem Tierschutz, der zum festen Team der Harzer Wandernadel gehört.
Einige kritisierten, dass Charlys äußeres Erscheinungsbild typische Qualzuchtmerkmale zeigt. Dabei ging es nicht um Charly als Hund – sondern um das, was seine Darstellung auslöst: Normalisierung eines krankmachenden Zuchtideals.
Auch ich habe das kritisch eingeordnet und bin proaktiv auf das Team der Harzer Wandernadel zugegangen – mit dem Wunsch, die Situation gemeinsam lösungsorientiert zu reflektieren und kommunikationsstrategisch weiterzuentwickeln.
Denn: Was wir in Werbung, Medien und auf Produkten sehen, beeinflusst unser Bild von „normal" – und kurbelt Nachfrage an. Wenn immer wieder brachyzephale (kurzköpfige) Hunde wie Mops oder Bulldogge gezeigt werden, entsteht der Eindruck: So sollte ein Hund aussehen. Dabei sind diese Merkmale alles andere als harmlos.
Denn: Was wir in Werbung, Medien und auf Produkten sehen, beeinflusst unser Bild von „normal" – und kurbelt Nachfrage an.

Wenn immer wieder brachyzephale (kurzköpfige) Hunde wie Mops oder Bulldogge gezeigt werden, entsteht der Eindruck: So sollte ein Hund aussehen. Dabei sind diese Merkmale alles andere als harmlos.
Was ist Qualzucht eigentlich?
„Qualzucht" ist im deutschen Tierschutzrecht festgehalten: Laut § 11b des Tierschutzgesetzes ist es verboten, Tiere so zu züchten, dass ihre Nachkommen erblich bedingt unter Schmerzen, Leiden oder Schäden zu leben haben. Das bedeutet: Wenn bestimmte Merkmale, die gezielt herangezüchtet wurden, dazu führen, dass ein Tier nicht mehr artgerecht leben kann – z. B. wegen Atemnot, deformierten Gliedmaßen oder neurologischen Störungen –, dann handelt es sich um Qualzucht.
Die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e. V. (TVT) beschreibt in ihrem Merkblatt Nr. 141 (Stand Dezember 2023) eine Vielzahl solcher Merkmale. Dazu zählen unter anderem:
- Brachyzephalie (Kurzköpfigkeit) – z. B. bei Mops oder Französischer Bulldogge
- Hautfaltenbildung – z. B. beim Shar Pei
- Übertypisierte Gliedmaßen oder Ruten – etwa überlange Ohren oder Korkenzieherruten
- Pigmentstörungen und Scheckungen – die z. B. Taubheit begünstigen können
- Erbliche Organschäden – wie z. B. polyzystische Nierenerkrankungen
Diese Merkmale sind nicht zufällig entstanden, sondern das Ergebnis gezielter Zucht auf bestimmte Ästhetiken – wie große Augen, kurze Schnauzen oder besonders kleine Körper. Das Problem: Was äußerlich niedlich erscheint, verursacht innerlich oft massives Leid.
Im konkreten Fall der Harzer Wandernadel und Charly geht es um Brachyzephalie. Die gezielte Verkürzung des Gesichtsschädels führt zu einem Komplex an Symptomen. Typische Folgen sind:
- chronische Atemnot und Röcheln
- verengte Nasenlöcher und übergroße Gaumen
- Probleme bei der Thermoregulation
- Zahnfehlstellungen und Futteraufnahmeprobleme
- Augenerkrankungen durch zu flache Augenhöhlen

Viele brachyzephale Hunde atmen dauerhaft durch das Maul, da die Luftzufuhr über die Nase nicht ausreicht. Röcheln oder Schnarchen sind dabei keine lustigen Eigenheiten, sondern Symptome einer chronischen Atemnot.
Werbung als Verstärker: Sichtbarkeit schafft Nachfrage
Hier wird es problematisch: Werbung wirkt. Bilder von Hunden mit Qualzuchtmerkmalen auf Produkten, in TV-Spots oder auf Social Media tragen dazu bei, dass diese Tiere als „normal" oder „besonders beliebt" wahrgenommen werden. Dadurch steigt die Nachfrage – und damit auch die Zucht.

Ein niedliches Mops-Cover kann also unbeabsichtigt dazu beitragen, dass mehr dieser Hunde gezüchtet werden – mit all den bekannten gesundheitlichen Problemen.
So reagiert die Harzer Wandernadel: offen, lernbereit, vorbildlich
Ich habe mich in die Diskussion eingebracht – aus Überzeugung und mit dem Wunsch, das Thema Tierwohl auch in der öffentlichen Kommunikation stärker mitzudenken. Mein Ziel war nie, jemanden öffentlich bloßzustellen, sondern im Dialog Lösungen zu finden, die Haltung zeigen.
Und genau das ist passiert: Die Verantwortlichen der Harzer Wandernadel haben sich offen und konstruktiv mit der Kritik auseinandergesetzt. Statt sich zu verteidigen, wurde zugehört – und Verantwortung übernommen. In einem gemeinsam verfassten Instagram-Post erklärte das Team:
Blick nach vorn: Ein neuer Standard für verantwortungsvolle Kommunikation
Die Überarbeitung erfolgte im engen Austausch mit mir – ich durfte meine Perspektive aus Kommunikation und Tierwohl einbringen und freue mich, dass viele meiner Impulse aufgenommen wurden:
- Künftige Cover zeigen keine Hunde mit Qualzuchtmerkmalen mehr
- Expert*innen aus Tierschutz und Hundewesen werden in die Motivwahl einbezogen
- Das Wanderheft für Hunde bleibt bestehen – aber wird bewusst weiterentwickelt
- Unter dem Reel wurde ein Hinweis auf Qualzucht hinzugefügt

Uns war von Anfang an wichtig, mit dem Vier-Pfoten-Wanderpass etwas Positives für Mensch und Hund zu schaffen. Die Rückmeldungen zum Cover haben uns nachdenklich gemacht – und wir sind dankbar, dass wir durch den Austausch mit Alina viele neue Impulse bekommen haben. Gemeinsam haben wir die kommunikative Aufarbeitung entwickelt – inklusive der Stellungnahme.
Charlotte Jacobs, Projekt-Initiatorin des Vier-Pfoten-Passes
Fazit
Der Fall Harzer Wandernadel zeigt: Auch gut gemeinte Entscheidungen können unbeabsichtigte Wirkungen haben. Aber entscheidend ist, wie man damit umgeht. Verantwortung beginnt bei der Sichtbarkeit. Und Werbung kann ein Teil des Problems – oder der Lösung sein.
Gleichzeitig möchte ich betonen, wie großartig ich es finde, dass es nun ein eigenes Stempelheft und sogar ein Abzeichen für Hunde im Harz gibt. Dieses Projekt macht Spaß, fördert gemeinsame Bewegung und zeigt, dass Wandern mit Hund einen festen Platz in der Region verdient hat.
Ich bin dankbar, dass ich diesen Prozess begleiten durfte. Und ich hoffe, dass viele weitere Projekte diesen Weg gehen: mit Haltung, mit Offenheit, mit Respekt für unsere Tiere.